2. Friedrich-Hofmann-Medaille - Prof. Dr. Horst Ganz
- Begrüßung durch Bürgermeister Brinkhaus
- Dirk von Renesse, Betriebsing. i. R.: Traditionswurzeln einer Familie in Burgsteinfurt
- Dr. Peter Tolsdorff: Laudatio auf Herrn Prof. Dr. Horst Ganz
- Ansprache von Prof. Dr. Horst Ganz
- Reden als Download (PDF-Datei)
Begrüßung durch Bürgermeister Brinkhaus
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich begrüße Sie – gleichfalls im Namen von Herrn Stadtdirektor Wortmann – zur Feierstunde anlässlich der Verleihung der Friedrich-Hofmann-Medaille an Herrn Prof. Dr. Horst Ganz.
Vor zwei Jahren haben wir uns bei der erstmaligen Verleihung dieser von der Familie der Nachkommen Friedrich Hofmanns gestifteten Medaille im Alten Rathaus unserer Stadt versammelt und damit für die Verleihung einen würdigen Veranstaltungsort und Rahmen gefunden. Das heißt jedoch nicht, dass die diesjährige Wahl, die auf die Räume der Hohen Schule gefallen ist, weniger zum Inhalt und zur Form der Ehrung passen würde. Handelt es sich doch bei der geschichtlich bedeutsamen Erfindung des Ohrenspiegels durch Dr. Friedrich Hofmann vor rund 150 Jahren um eine wissenschaftliche Leistung im medizinischen Bereich, derer eigentlich kaum besser gedacht werden könnte an einem Ort als diesem. Die Hohe Schule Burgsteinfurt, die im Übrigen im letzten Jahr ihr 400jähriges Bestehen feiern konnte, stellt in ganz besonderer Weise den Identifikationspunkt in unserer Stadt für wissenschaftliche und universitäre Geschichte dar.
Ich möchte ganz besonders Herrn Prof. Dr. Horst Ganz in unserer Stadt begrüßen, dem von der Urenkelin von Dr. Friedrich Hofmann, Frau llse Nedden-Sporleder, sogleich die Ehrenmedaille verliehen werden wird. Ich darf Sie, sehr verehrte Frau Nedden-Sporleder, und ebenfalls Herrn Dirk von Renesse und selbstverständlich alle hier anwesenden Mitglieder der Familie auf das herzlichste begrüßen.
Herr Dr. Peter Tolsdorff wird in sachkundiger Weise die Laudatio halten. Mein Gruß gilt auch ganz besonders ihm als dem ersten Träger der Friedrich-Hofmann-Medaille.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, jede Stadt sucht in Zeiten des wachsenden Geschichtsbewußtseins nach den vorhin schon erwähnten Identifikationen, die sich für die Bürger in bestimmten Gebäuden, geschichtlichen Ereignissen oder herausragenden Persönlichkeiten manifestieren. Wir schätzen uns glücklich, dass Dr. Friedrich Hofmann als Burgsteinfurter Arzt eine wissenschaftliche Leistung erbracht hat, nach der die "Deutsche Gesellschaft für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie" ihren Ehrenpreis für auf diesem Gebiet verdiente Mediziner benannt hat. Ich möchte im Namen der Bürger unserer Stadt den Mitgliedern der Familie des Dr. Friedrich Hofmann dafür danken, dass sie durch die Stiftung der Medaille und deren Verleihung dieser Ehrung einen weiteren Höhepunkt gibt.
Dirk von Renesse, Betriebsing. i. R.:
Traditionswurzeln einer Familie in Burgsteinfurt
Bevor ich mit meinen Ausführungen beginne, möchte ich zu meiner Vorstellung eine persönliche Erklärung abgeben. Irrtümlich wurde ich als Rundfunkingenieur angekündigt. Diese Berufsbezeichnung gibt es jedoch nicht. Ich war bis zu meiner Pensionierung zwar Betriebsingenieur und Leiter der Außenübertragungstechnik des NDR in Hamburg, spreche hier zu Ihnen jedoch als einer der 4 Stifter der Friedrich-Hofmann-Medaille.
Vielen Dank.
Mir wurde angetragen, über die Traditionswurzeln einer Familie in Burgsteinfurt zu sprechen. Es muss ja schließlich einen Grund geben, dass unsere Tante, Frau Ilse Nedden, unsere verstorbene Schwester Almuth, mein Bruder Ernst- Albrecht und ich hier in Burgsteinfurt eine Medaille zu Ehren unseres Ur- bzw Ur-Urgroßvaters gestiftet haben.
Allein die Tatsache, dass unser Vater und mein Bruder sich hier sehr wohl gefühlt haben, bzw. noch fühlen, kann nicht das Ausschlaggebende gewesen sein. Während der Recherchen zu dem Thema stellte sich heraus, dass es sich nicht nur um die Bindung einer Familie zu Burgsteinfurt geht, sondern dass hier die Sippen HOFMANN, SCHULZ, von RENESSE angesprochen sind.
Es ist sinnvoll, mit der Familie von Renesse zu beginnen. Der 1818 in Cleve geborene Gottfried von Renesse war Gutsbesitzer auf Röpling bei Hamminkeln, er verstarb 1872 in Burgsteinfurt. Sein Bruder Carl, ebenfalls in Cleve geboren, war Getreidekaufmann und verstarb 1877 in Burgsteinfurt.
Seine Tochter Auguste heiratete 1899 den Burgsteinfurter Landwirt Clemens von Renesse.
Ein weiterer Bruder, Hermann, 1821 in Hamm geboren, war Gutsbesitzer auf Haus Kannen bei Münster und mit Mathilde Schmitz verheiratet. Dieser Ehe entstammen 5 Kinder. Unter ihnen war wohl der bekannteste Alfred von Renesse, im Münsterland unter dem Namen: ZIEGENBARON bekannt. Über einen seiner Brüder Emil von Renesse, unseren Großvater, bekommen wir dann den Anschluss an die Familien Hofmann und Sporleder - Frau Nedden ist eine geborene Sporleder -.
Emil, 1850 auf Haus Kannen geboren, wurde Gymnasialprofessor und heiratete 1878 hier in Burgsteinfurt Meta Schulz. Meta war die Tochter des Burgsteinfurter Steuerrats Ernst Gottlieb Schulz, der 1856 die Burgsteinfurterin EMILIE HOFMANN heiratete.
Meta Schulz hatte eine Schwester Bertha. Bertha war mit Dr. med. Ernst Sporleder verheiratet. Unsere hier anwesende Tante, Frau Ilse Nedden, ist deren Tochter. Die Grabsteine der Familien Schulz, Sporleder und Hofmann befinden sich auf dem evangelischen Friedhof in Burgsteinfurt.
Die Mutter von Dr. Friedrich Hofmann, dessen 103. Todestag wir heute gedenken, Wilhelmine Friederice Hofmann, geborene Badenius, war die Großmutter der vorhin erwähnten Emilie.
Hofmanns Vater, der berühmte Architekt und Baumeister zu Burgsteinfurt JOHANN PHILIP war Anfang des 19. Jahrhunderts durch den Grafen Ludwig hierher berufen worden. Johann Philip erbaute die Burgruine auf einer Insel im See des Fürstlichen Bagnos und konstruierte eine sinnvolle Schöpfeinrichtung für die gewaltige Fontaine, die jedoch leider nicht mehr existiert. Er interessierte sich ungemein für die Tochter des in Burgsteinfurt praktizierenden Arztes und Hofapothekers Dr. Friedrich Houth, was jedoch zu starken Spannungen mit den Eltern führte, sodass den beiden Liebenden nur der Weggang aus Burgsteinfurt blieb. Der Großherzog von Hessen erkannte Johann Philips fachliche Qualifikation und stellte ihn als Baumeister in Friedberg/Hessen ein. Dort wurde dann 1806 unser Jubilar geboren. Inzwischen war das Kriegsbeil zwischen den Familien Houth und Hofmann begraben worden.
Über das Leben und Wirken von Dr. Friedrich Hofmann zu berichten ist nicht das Thema dieses Vortrages, zumal vorausgesetzt werden kann, dass beides bekannt ist. Seine Mutter vererbte von ihren Vorfahren Houth und Brandt die medizinisch-technische Begabung zumindest auf ihre beiden Söhne Friedrich und seinen jüngeren Bruder August Wilhelm, der der Entdecker der ANILIN-Farben ist. August Wilhelm ist der Begründer der Badischen-Anilin-und-Soda-Fabriken, sicherlich allen von uns als BASF bekannt. Wegen dieser Verdienste wurde er 1888 geadelt.
Beide Brüder verstanden sich ausgezeichnet und trafen sich häufig in Burgsteinfurt. Friedrich heiratete 1832 die Tochter des Fürstlichen Hofrats, Josephine Bornemann. Dieser Ehe entstammten 5 Kinder, von denen 3 in Burgsteinfurt bzw. in der unmittelbaren Umgebung blieben. Helene war die Stifterin und Gründerin des Hauses Loreto zwischen Burgsteinfurt und Leer.
Elise ehelichte den Domänenrat Wolf Meyer aus Burgsteinfurt, und Emilie war mit dem Kataster- und Steuerrat Ernst Schulz verheiratet, der später als Königlicher Steuerrat den Burgsteinfurtern als KLABASTERSCHULZ bekannt war.
Es hat Friedrich Hofmann zu Lebzeiten an Ehrungen und Berufungen zu weiteren wissenschaftlichen Wirkungskreisen und in höhere Stellen der Medizinverwaltung nicht gefehlt. Aus Liebe zu Burgsteinfurt, zu dem ihm zusagenden Wirkungskreis und den angenehmen Verhältnissen, in denen er lebte, konnte er sich jedoch zu einem Wegzug aus Burgsteinfurt nicht entschließen.
Dr. Peter Tolsdorff:
Laudatio auf Herrn Prof. Dr. Horst Ganz
Sehr geehrter Preisträger, lieber Herr Prof. Ganz, verehrte Frau Ganz, verehrte Frau Nedden-Sporleder, sehr geehrte Familie von Renesse, sehr geehrter Herr Prof. Hermann, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Zum zweiten Mal wurde 1988 der Friedrich-Hofmann-Preis durch die Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie vergeben. Preisträger ist Herr Prof. Dr. Ganz aus Marburg an der Lahn. Im Nachgang zu diesem Preis wird der Preisträger heute durch die Stifterfamilie von Renesse und die Stadt Steinfurt in Erinnerung an den großen Sohn dieser Stadt und Erfinder des Ohrenspiegels mit der Friedrich-Hofmann-Medaille ausgezeichnet. Herr Prof. Dr. Heermann aus Essen, selbst Träger des Haymann-Preises 1975, zeichnet die Großzügigkeit aus, den primär von ihm gestifteten und mit dem Namen seiner Person verbundenen Preis in Friedrich-Hofmann-Preis 1982 umzubenennen und durch die Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde 1985 in ihrer Satzung als Dotation festschreiben zu lassen. Der von Heermann, dem jetzt 89jährigen, noch außerordentlich rüstigen und mit dem 60. Lebensjahr zum Prof. h. c. ernannten Kollegen, ins Leben gerufene und seit 1986 von der Deutschen HNO-Gesellschaft verliehene Preis soll nach seinen Worten "zur Anerkennung und Förderung in freier Praxis niedergelassener Mitglieder der HNO-Gesellschaft verliehen werden, die sich durch besondere wissenschaftliche Leistungen hervorgetan haben."
Dementsprechend lauten die Satzungsbestimmungen eins bis drei des Friedrich-Hofmann-Preises:
- Der Preis wird für eine einzelne oder mehrere inhaltlich zusammenhängende Veröffentlichung(en) des Preisträgers verliehen, die in einer wissenschaftlichen Zeitschrift erschienen ist (sind).
- Die Publikation soll von hohem Nutzen und Wert für die praktische Tätigkeit des Hals-Nasen-Ohrenarztes sein.
- Um den Preis kann sich jedes Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie bewerben. Der Preis ist besonders geeignet, wissenschaftliche Leistungen, Entdeckungen und praktische Errungenschaften zu honorieren, die aus dem Kreis der praktizierenden HNO-Ärzte heraus erarbeitet wurden.
Vorschläge zur Verleihung des Friedrich-Hofmann-Preises können von allen Mitgliedern der Gesellschaft angebracht werden.
Die zusätzliche Ehrung durch die Friedrich-Hofmann-Medaille, von der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, dem Vorstand, Prof. Rudert als Präsident, Prof. Fleischer als Schriftführer und Dr. Caspari als Schatzmeister, die durch mich Ihnen herzliche Glückwünsche übermitteln lässt, sehr begrüßt, soll einerseits eine weitere Anerkennung der Leistung des Preisträgers durch die Stifterfamilie von Renesse und die Stadt Steinfurt, wo Dr. Hofmann gelebt hat, andererseits auch eine posthume Ehrung von Dr. Hofmann an seinem Wirkungsort darstellen. Der Familie von Renesse gehört unser Dank für die Stiftung der Medaille ebenso wie der Stadt Steinfurt für die Einrichtung des Museums und die Durchführung dieser Feierstunde.
Weil wissenschaftliche Leistung und Entdeckung geehrt werden soll, stellt sich die Frage nach der "Wissenschaft" per se. "Wissenschaft" ist das systematische Ganze der Erkenntnisse. Moderner Auffassung entsprechend wird der Wissenschaftscharakter nicht durch das Objekt, die Allgemeinheit der Aussage oder die Systematik bestimmt, sondern durch den Wissenschaftsgeist, der sich in der wissenschaftlichen Methodik niederschlägt. "Wissenschaft" beinhaltet "Vorurteilsfreiheit, Wertfreiheit, Verifizierbarkeit und Verifikation jeder Aussage, die Möglichkeit der Kritik sowie intersubjektiven Charakter". Die Medizin zählt dem Ziel nach zu den praktischen, der Methodik nach als Bündel von Einzelwissenschaften (Anatomie, Physiologie, Biochemie, etc.) zu den beobachtenden, beschreibenden, experimentierenden und daraus schlussfolgernden Wissenschaften im Gegensatz zu den sogenannten exakten Wissenschaften wie z. B. der theoretischen Mathematik oder Logik. Dieses Beobachten, Experimentieren und Schlussfolgern als Kernpunkt wissenschaftlichen medizinischen Arbeitens ist a priori unabhängig vom Erreichen bestimmter Inhalte, sondern vielmehr abhängig von der Einsatzbereitschaft und Intelligenz des Einzelnen und seinem Willen, Probleme zu erkennen und lösen zu wollen. Diesem Anspruch genügte Dr. Hofmann in hohem Maße. Dem Preiskollegium der Deutschen HNO-Gesellschaft ist es 1988 gelungen, in Prof. Ganz einen seit 1974 niedergelassenen HNO-Kollegen gewählt zu haben, der ebenfalls auf ein erstaunliches Oeuvre von wissenschaftlichen Publikationen, Vorträgen und Buchveröffentlichungen zurückblicken kann.
Aus alter Schweizer Familie aus dem Kanton Zürich stammend, wurde Herr Ganz am 25.05.1931 in Berlin-Charlottenburg geboren. Deutsche Einbürgerung seit 1942. In der Familie seit Menschengedenken der erste Arzt, wie er selbst sagt. Verheiratet. Drei Söhne aus erster Ehe. Schulausbildung am humanistischen Gymnasium in Regensburg. Dort 1950 Abitur. Anschließend Medizinstudium in Regensburg während der vorklinischen Semester, die klinischen Semester in Heidelberg, dort Abschluss mit dem medizinischen Staatsexamen und Promotion Ende 1955. Medizinalassistentenzeit an den Städtischen Krankenanstalten 1986 in Mannheim. Anschließend Fachausbildung HNO in der HNO-Universitätsklinik Heidelberg bei Prof. Kindler, anschließend in Praxis und Beleg-Klinik bei Dozent Dr. Uffenorde. 16 Monate lang in der HNO-Universitätsklinik Marburg bei Prof. Berendes. Dortige Tätigkeit insgesamt 15 Jahre, davon neun Jahre als Oberarzt, drei Jahre als leitender Oberarzt tätig. 1968 ein dreimonatiger dienstlicher USA-Aufenthalt. Facharztanerkennung 1961. Habilitation über eine biochemische Arbeit zur Atmungs- und Stimmfunktion des Kehlkopfes 1944.
Am 01.04.1974 mit Belegbetten niedergelassen in Marburg, seit 1974 Honorarprofessor. 1976 Erwerb der Zusatzbezeichnung "plastische Operationen".
Herr Prof. Ganz hält auch heute noch scheinpflichtige Lehrveranstaltungen für Studenten wie Spiegelkurs und Notfallkursus. Schwerpunkte liegen bei den Themengebieten plastische Operationen, Hörsturz, Funktion des Kehlkopfes, Kryochirurgie und Mikrochirurgie des Ohres sowie in der Sonographie.
Die Publikationen seit der Niederlassung befassen sich vor allem mit praxisrelevanten Themen. Insgesamt 136 wissenschaftliche Publikationen von 1955 bis 1988 stellen das stattliche Korrelat einer fundierten wissenschaftlichen Arbeit dar. Hiervon wurden allein über 50 Publikationen nach der Niederlassung 1974 von Herrn Prof. Ganz herausgegeben. Die Thematik umfasst nahezu den gesamten Spannbogen der HNO-Heilkunde. Unter den von ihm publizierten Büchern, es sind mehr als zehn, möchte ich insbesondere seinen Handbuchbeitrag 1970 zum Lehrbuch der HNO- Heilkunde gemeinsam mit Herrn Prof. Berendes erwähnen, sowie die HNO-Heilkunde in der Tropon-Serie und das uns allen bekannte, bisher in acht Bänden erschienene Folgewerk "HNO-Praxis heute" im Springer-Verlag, das gemeinsam mit Herrn Prof. Schätzle aus Homburg an der Saar herausgegeben wird. Insbesondere die hierbenannten Werke habe ich selbst mit großem Interesse, zuerst als beginnender junger HNO-Arzt, später auch im Lauf der späteren Jahre stets mit großem Interesse gelesen und eine Reihe von Anregungen bezogen. Sie zeichnen sich aus durch Praxisnähe und fundiertes Wissen, sie sind nicht nur dem Anfänger, sondern auch dem Fortgeschrittenen bei speziellen Problemen eine große Hilfe, da sie unter klaren Stichworten knapp und didaktisch eindrucksvoll einen Sachverhalt abhandeln. In der großen Zahl von Einzelpublikationen sind schwerpunktmäßig zu erwähnen die Arbeiten über die Physiologie, Pathophysiologie sowie die Untersuchungsmethoden und Behandlung der organischen Störungen des menschlichen Kehlkopfes.
Berufspolitisch hat sich Prof. Ganz 1969 als Mitglieder der Satzungskommission und des satzungsgebenden Senats der Universität Marburg betätigt. 1971 - 1973 war er Mitglied des Fachbereichsrates Medizin der Universität Marburg. Seit 1984 hat er sich als Bezirksvorsitzender im HNO-Berufsverband engagiert, er ist Mitglied der Radiologenkommission der KV Hessen. 1988 wurde er zum Delegierten der LAK Hessen gewählt, 1988 kandidierte er für den Landesvorsitz Hessen im HNO-Berufsverband.
Dass ein solches wissenschaftliches und berufspolitisches Engagement nur durch ein entsprechendes Verständnis seitens der Familie mitgetragen werden kann, ist selbstverständlich. Möge die imponierende wissenschaftliche Leistung auch für andere niedergelassene Kollegen ein Ansporn sein zu wissenschaftlicher Arbeit trotz hoher Belastung durch Praxis und ggf. operativer Tätigkeit sowie berufspolitischem Engagement. Herrn Prof. Ganz zollen wir für seine herausragende Leistung unseren ganzen Respekt und wünschen ihm für seinen weiteren beruflichen und privaten Weg alles Gute. Möge das Zitat "Wissen ist Macht", korrekter gesagt "Wissenschaft ist Macht" - in der englischen Übersetzung "Knowledge (itself) is power" - Macht dabei definiert als Realmöglichkeit - aus den "Meditationes sacrae" (11. Art. "De haeresibos") in seiner positiven Auslegung auch weiterhin Ihren Weg begleiten, nämlich im Sinne einer fortgehenden Erweiterung des menschlichen Wissens und Verantwortungsbewusstseins aufgrund gewonnener und positiv apperzipierter Erkenntnisse und einer sich daraus ergebenden Verantwortung für den Ihnen anvertrauten Nächsten, nämlich den Patienten.
Überreichung der Friedrich Hofmann Medaille an Prof. Dr. Horst Ganz
Ansprache von Prof. Dr. Horst Ganz
Sehr verehrte Familie Hofmann-Renesse, sehr verehrte Frau Landrätin, verehrter Herr Bürgermeister und Herr Stadtdirektor, lieber und hochverehrter Herr Professor Heermann, lieber Herr Kollege Tolsdorff, liebe Musikanten, meine Damen und Herren!
Es ist schön, dass Sie mir am Ende dieser Feierstunde die Gelegenheit geben, Dank zu sagen, und ich tue das auch gerne und mit einer gewissen Rührung. Aber ich möchte Ihnen als Dreingabe auch ein paar Gedanken sagen, die mir in den letzten Tagen durch den Kopf gingen.
Friedrich Hofmann, die Symbol- und Stifterfigur dieser Medaille, mit der sie mir eine große Freude gemacht haben, war der Erfinder des Ohrenspiegels. War er wirklich nur das? Ich meine, er war in vielerlei Hinsicht mehr.
Erstens: Durch die Entwicklung eines Gerätes, in dem Sehstrahl und Lichtstrahl übereinstimmen, hat er erstmals ein Prinzip realisiert, das die Untersuchung enger Hohlräume ganz allgemein überhaupt möglich machte, also nicht nur des Gehörganges allein. Auch der Augenspiegel basiert ja auf der gleichen Idee. Die Medizinstudenten erleben die Wichtigkeit dieses Prinzips hautnahe im Spiegelkurs, wie ich ihn in Marburg jetzt seit 19 Jahren = 38 Semestern abhalte. Ich pflege bei der Erklärung des Reflektors immer zu sagen: wenn sie mit dem Spiegel vor dem linken Auge leuchten, aber mit dem rechten zu sehen versuchen, dann haben sie entweder Licht auf dem Trommelfell, sehen aber daran vorbei auf die äußere Haut, oder sie schauen richtig, aber ins Dunkel hinein. Nur die korrekte Anwendung des Hofmann‘schen Prinzips führt zum Erfolg.
Zugegeben, es ist in der Zwischenzeit manche Weiterentwicklung der Beleuchtungstechnik eingeführt worden, wie die Stirnlampe, die Kaltlichtlampe, das Operationsmikroskop. Aber keine dieser Konstruktionen kommt ohne Elektrizität aus, während man mit dem Hofmann‘schen Reflektor jede Lichtquelle nutzen kann, wenn sie nur hell genug ist. So lasse ich meine Studenten sofern möglich auch mit Sonnenlicht spiegeln und erzähle ihnen die folgende wahre Geschichte:
In den 60er Jahren wurde ich einmal in die alte Marburger Nervenklinik gerufen, um dort einen eiligen Luftröhrenschnitt auszuführen. Als wir am Bett des armen Patienten standen, fiel die Stromversorgung aus. Notaggregate gab es damals noch nicht. So war guter Rat teuer. Glücklicherweise schien die Sonne hell zum Fenster herein. Mit ihrer Hilfe und Hofmanns Reflektor gelang die Operation ohne Schwierigkeiten. Gerade als wir die Luftröhrenkanüle eingeführt hatten, ging das Licht wieder an.
Zweitens: Friedrich Hofmann ist darüber hinaus mit seiner Erfindung einer der Väter oder besser der Großvater des Spezialfaches Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde geworden, denn dieses Fach ist zusammengewachsen einerseits aus den anatomischen, funktionellen und pathophysiologischen Beziehungen von Ohr, Nase und Halsorganen, andererseits aber durch die einheitliche Spiegeltechnik. Ich sah kürzlich ein historisches Foto des Wiener Geheimrates Türck, wie er den Kehlkopf spiegelt, mit eben dem Hofmann‘schen Reflektor vor dem Auge. Ohne diesen Reflektor hätte er es sehr viel schwerer gehabt.
Drittens: Hofmann war einer der wenigen Ärzte, die neben ihrer allgemeinärztlichen Praxistätigkeit noch Forschung betrieben haben. Forschung aus der Praxis heraus war immer schon schwierig, vor allem aus zeitlichen und finanziellen Gründen, und sie wurde und wird bis heute etwas abfällig über die Schulter betrachtet. Es ist deshalb besonders verdienstvoll und dankenswert, wenn Hofmanns Nachkommen und Hofmanns Stadt versuchen, diese praxisbezogene Forschung durch die Verleihung einer Verdienstmedaille aufzuwerten.
Einen weiteren erfolgreichen Versuch hat die Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie mit ihrem ebenfalls nach Hofmann benannten Preis unternommen, und es hat sich die schöne Tradition herausgebildet, beide Auszeichnungen in der Regel dem gleichen Kandidaten zu verleihen. Motor dieser für uns Niedergelassene so erfreulichen Entwicklung war und ist unser verehrter Kollege Herr Professor Heermann, der heute unter uns sitzt, und der selber als niedergelassener HNO-Arzt nicht nur die Probleme der Forschung aus der Praxis heraus am eigenen Leibe erfahren, sondern sie auch meisterlich bis zum Weltruhm gelöst hat.
Wir haben es in mancherlei Hinsicht heute leichter als Dr. Friedrich Hofmann. Wir sind nicht mehr so isoliert wie ein praktischer Arzt in einer Kleinstadt des 19. Jahrhunderts, und wenn wir wollen, liefert uns die Datenbank in Sekundenschnelle Literatur und mehr für unsere Arbeit. Auf der anderen Seite ist heute Alles viel komplizierter geworden. Ein Freund sagte mir einmal: die Wissenschaft des 20. Jahrhunderts ist die der dritten und vierten Stelle hinter dem Komma. Dazu braucht es komplizierter Apparate, und ein einfacher großer Wurf wie der Ohrenspiegel, der Generationen überdauert, wird fast unmöglich. Oder haben unsere computerverdorbenen Augen nur den klaren Blick ihrer Vorfahren verloren, den klaren Blick zu erkennen, was gleichsam vor ihnen auf der Straße liegt? Sei es wie es sei. Heutige Preisträger haben jedenfalls meist nichts so Originelles zu bieten, vielleicht einen kleinen Trick, eine kleine Verbesserung, oder sie legen wie ich ihr Schwergewicht auf die Weitervermittlung von Wissen an ihre Kolleginnen und Kollegen.
Viertens und letztens lassen Sie mich noch etwas nicht ganz Ernstes aber trotzdem Wahres sagen. Die Heiterkeit ist eine legitime Schwester des Ernstes, und so möge man mir verzeihen, wenn ich versuche, an den tiefen Ernst dieser Veranstaltung am Schluss ein befreiendes Lachen anzumogeln. Ich behaupte nämlich: "Der Hals-Nasen-Ohrenarzt ist der populärste Mediziner!". Sie glauben das nicht? Dann sehen Sie sich einmal die Arztkarikaturen in den Medien an. Was sehen Sie? Nichts als Ohrenärzte! Jedenfalls hat ein Jeder den so eindrucksvollen Hofmann‘schen Reflektor auf dem Kopf. Wenn das Ideal der Engländer auch das unsere ist, dass nämlich eine Karikatur in einer bekannten satirischen Zeitschrift den Gipfel der Popularität bedeutet, dann sind wir HNO-Ärzte der Gipfel! Auch dafür danken wir Friedrich Hofmann, und ich danke Ihnen noch fürs Zuhören.