1. Friedrich-Hofmann-Medaille - Dr. Peter Tolsdorff
- Akademischer Oberrat Ernst-Albrecht von Renesse: Burgsteinfurt als kultureller Nährboden für Dr. Friedrich Hofmann
- Ilse Nedden-Sporleder: Zur Stiftung einer Friedrich-Hofmann-Medaille
- Nachlass Dr. Friedrich Hofmann
- Laudatio für Dr. Peter Tolsdorff von Dr. K.-H. Caspari, Remscheid
- Ansprache von Dr. Peter Tolsdorff
- Reden als Download (PDF-Datei)
Akademischer Oberrat Ernst-Albrecht von Renesse:
Burgsteinfurt als kultureller Nährboden für Dr. Friedrich Hofmann
Im Namen der Stifter der „Friedrich-Hofmann-Medaille“, nämlich: unserer Tante, Frau Ilse Nedden-Sporleder, unserer leider inzwischen verstorbenen Schwester, der Mitstifterin Almuth Börger, geb. von Renesse, und im Auftrage meines Bruders, Dirk von Renesse, gebe ich unserer Freude Ausdruck, dass der Erfindung des Ohrenspiegels durch unseren Vorfahren, dem späteren Kreisphysikus Friedrich Hofmann, im Jahre 1841 seitens der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chrurgie und der Stadt Steinfurt seit einigen Jahren eine so ehrende Aufmerksamkeit zuteil wird.
Die „Wiederentdeckung“ Hofmanns als Erfinder des Ohrenspiegels über die routinemäßige Erwähnung in den Lehrbüchern der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde hinaus begann wohl mit einem Artikel des Essener Arztes Dr. O. Muck in der Medizinischen „Welt“ Nr. 6 des Jahres 1935, der über die Schwierigkeiten berichtete, denen sich dieser Erfinder in der öffentlichen Anerkennung ausgesetzt sah.
Da heißt es, dass im Jahre 1841 der westfälische Arzt Dr. Hofmann in Burgsteinfurt … „einen zentral durchbohrten Rasierspiegel empfohlen, um mit ihm „Sonnen- oder schönes Tageslicht“ in den Gehörgang zu werfen und so die Teile zu beleuchten. Dieser Vorschlag Hofmanns scheint aber durchaus keinen Eindruck gemacht zu haben, indem die von ihm vorgeschlagene Methode von keinem Ohrenarzt angenommen wurde, und fand sie unverdienterweise so wenig Beachtung, dass sämtliche nachher erschienenen Schriften über Ohrenheilkunde ihrer gar nicht Erwähnung taten, mit einziger Ausnahme von M. Frank (1845), der indessen die so erzielte Beleuchtung für ungenügend erklärte und später von Rau (1856). „Dieser Augen- und Ohrenarzt Rau erkannte auch die Zweckmäßigkeit des Hofmannschen Ohrenspiegels als Augenspiegel an. Und so wurde der Hofmannsche Ohrenspiegel vorbildlich auch für den heutzutage gebräuchlichen Augenspiegel.“
In Anlehnung an Muck hat der niedergelassene Hals-, Nasen- und Ohrenarzt, Prof. Dr. Hans Heermann aus Essen, seit 1982 immer wieder das Andenken Hofmanns wachgehalten und an die Vergabe eines Hofmann-Preises innerhalb der Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie zur Anerkennung und Förderung von wissenschaftlicher Tätigkeit niedergelassener HNO-Ärzte erinnert.
Etwa zeitgleich vergab Prof. Dr. Kley in Würzburg - wo der Hofmann’sche Ohrenspiegel im Original verwahrt wird – an den jetzigen Dr. Wahler ein Promotionsthema über „den westfälischen Landarzt Friedrich Hofmann als Erfinder des Ohrenspiegels“. Die Arbeit ist mit dem Untertitel „Wirkungsgeschichtliche Aspekte bei der Erfindung des Prinzips des perforierten Hohlspiegels als diagnostisches Hilfsmittel bei der Untersuchung von Auge und Ohr“ als Dissertation des Kopfklinikums 1981 in Würzburg erschienen.
Zum hundertsten Todestag hat das Deutsche Ärzteblatt unter dem 21.01.1987 Hofmann und seine Erfindung ausführlich gewürdigt und darauf hingewiesen, dass Hofmann’s so einleuchtende wie verblüffend einfache Idee jahrelang verkannt blieb, obwohl Theodor Ruete sieben Jahre später diese Erfindung unter dem Namen Otoskop als Augenspiegel und auch zur Untersuchung anderer Körperöffnungen anpries. Ernst Anton von Tröltsch führte den Ohrenspiegel von Hofmann unter Hinweis auf den Entdecker 1855 endgültig in die medizinische Öffentlichkeit ein.
Als Nachkomme Hofmanns muss man sich fragen, in welchem soziokulturellen Umfeld diese Erfindung Hofmanns eigentlich entstanden ist. Manches wird verständlich, wenn man auf die Apparate zurückblickt, die bis dahin zur Betrachtung des äußeren Ohres verwendet wurden. Als Lichtquellen wurden nachweislich bis 1823 Öllampen oder Kerzen benutzt und in die Höhe gehalten, um durch ein Spiegelsystem Licht in das Ohr zu werfen. Dabei erfolgte allerdings der Lichteinfall in einem anderen Winkel, als die Blickrichtung des Betrachters. Ganze Linsensysteme waren nötig; Spiegelzimmer wurden verwendet, um Strahlen zu bündeln und eine gezielte Beleuchtung des Gehörganges zu realisieren. Dabei war die Kritik an den verschiedenen Apparaten übereinstimmend diejenige, dass alle künstlichen Beleuchtungsapparate es nicht erlaubten, sich dem zu untersuchenden Ohr so zu nähern, dass etwa das innere des Gehörganges gleichsam unmittelbar vor dem Auge läge.
Der Kreisphysikus Dr. Hofmann konnte etwa bei Krenkenbesuchen außerhalb der Praxis mit solchen Anordnungen nicht arbeiten. So hat er das Problem der unterschiedlichen Licht- und Blickachse und der Distanz zum Untersuchungsbereich und des großen apparativen Aufwandes durch den „Umbau“ seines Rasierspiegels gelöst. Er beschreibt die Handhabung des von ihm in der Mitte durchlöcherten Hohlspiegels – der Legende nach seines Rasierspiegels – selber wie folgt:
„Man werfe nur mittels eines in der Mitte perforierten Hohlspiegels einen Sonnenstrahl in den Gehörgang und blicke durch die Öffnung in den hell erleuchteten Gang. Es ist durch dieses einfache Verfahren dem Untersucher möglich gemacht, sich bis auf einige Zoll dem Ohr zu nähern, und es kann dem forschenden Auge nicht das Geringste entgehen.“
Unter Verwendung des Sonnenlichts konnte man sich also nunmehr dem Objekt direkt nähern, Lichtachse und Blickachse wurden identisch. Eine Verfärbung des Betrachteten Objektes durch den Schein von Kerze oder Öllampe erfolgte nicht mehr. Auch die häufig beklagten Blendungen fielen aus.
Wie alles Geniale war auch diese Erfindung einfach, zu einfach vielleicht, um Aufmerksamkeit und Übernahme durch die gelehrte Fachwelt zu finden. Vielleicht war auch der Erfinder zu bescheiden – jedenfalls gibt es Anhaltspunkte dafür, dass er sich in der Öffentlichkeit – wie man heute sagen würde - nicht verkaufen konnte, obgleich er die Erfindung 1841 in Caspers Wochenschrift für die gesamte Heilkunde publiziert und sie vier Jahre später auf dem Naturforscherkongress in Gießen, seiner ersten Universitätsstadt, vorgestellt hat, wo er sich 1826 als Student von Justus von Liebig in dessen Vorlesung über Experimentalchemie mit „ausgezeichnetem Fleiß und ununterbrochener Aufmerksamkeit sehr werthgemacht hatte“.
Solche Aussagen machen es lohnend, einen Blick darauf zu werfen, wer dieser Friedrich Hofmann wohl gewesen sein mag. Als Sohn des großherzoglich-hessischen Hofkammergerichtsrats und Provinzialbaumeisters Heinrich Wilhelm Hofmann 1806 in Friedberg geboren und dort aufgewachsen, hatte Hofmann schon in seiner Jugend feste Bindungen zu Burgsteinfurt entwickelt. Sein Vater hatte nämlich dort als junger Mann im Auftrag des Grafen Ludwig das Bagno gestaltet und die Burgruine auf der Insel errichtet. Ein Vetter von Hofmanns Mutter, einer der damals 8 Ärzte in Burgsteinfurt, der Dr. Panajota Houth, war ein vielgeliebter Onkel Hofmanns, so dass der Schüler und Student von Friedberg und Gießen aus dort häufig seine Ferien verlebte.
Nach einem glänzenden Abitur ging Hofmann zum Studium zunächst nach Gießen und später nach Berlin, wo er im Jahre 1831 unter dem Rektorat des berühmten Philosophen Hegel die notwendigen Examen bestand, so dass er zum „doctor medicinae“ promoviert wurde. In seiner Beurteilung von Hegel heißt es:
„Dem studiosus midicinae Herrn Friedrich Hofmann aus Gießen gebürtig, wird mit Bezug auf das umstehende vorläufige Abgangszeugnis unter des Rektors Unterschrift und dem Universitäts-Siegel hiermit bezeugt, dass über ihn etwas Nachteiliges nicht bekanntgeworden, insbesondere auch dass er so viel zur Kenntnis der Universität gekommen, niemals Mitglied einer verbotenen Verbindung gewesen ist. Berlin, dem 2. September 1830, der Rektor der Universität, Hegel.“
Ein Jahr darauf wurde er als Arzt und Operateur approbiert, so dass er sich mit 25 Jahren als jüngster und neunter Arzt (Physikus) in Burgsteinfurt niederlassen konnte.
Ein Jahr darauf heiratete er (1832) Josephine Bornemann aus Borghorst. Als 30jähriger wurde er 1836 vom Fürsten Alexis zu Bentheim zum Hofmedicus bestellt. Etwa vier Jahre später erfand er dann den Ohrenspiegel, der trotz der Vorstellung in der Literatur und auf der Naturforscherversammlung kaum Akzeptanz fand. Das galt nicht für den Menschen Friedrich Hofmann, der bis zu seinem Tode als Achtzigjähriger ein überregional geachteter Arzt blieb.
Neben seiner ärztlichen Tätigkeit war Hofmann als Kind seinerzeit naturwissenschaftlich interessiert. Das ist an sich nicht verwunderlich, denn seine Erfindung und seine langjährige ärztliche Tätigkeit fällt in den Zeitraum, den wir gemeinhin die „Industrielle Revolution“ nennen, die sich auch in Burgsteinfurt geltend machte. Überall zeigte sich der Umbruch im Bereich der Produktionsverfahren, in der Übernahme neuer Techniken, in der Gewinnung neuer Energiequellen, in der Veränderung des Transportwesens durch den Eisenbahnbau und der Ausweitung des Binnenmarktes in Deutschland als Ergebnis des Deutschen Zollvereins seit 1835.
Nach der Serienreife der Lokomotive setzte sich insbesondere Friedrich Harkort dafür ein, die Eisenbahnen nach englischem Vorbild auch in Deutschland einzuführen. In einer Denkschrift vom 30.03.1825 kann man aus Harkorts Feder lesen:
„Durch die rasche und wohlfeile Fortschaffung der Güter wird der Wohlstand eines Landes bedeutend vermehrt …“
„Versuche … ergaben, dass eine Maschine von 8 Pferde Kraft ein Gewicht von 48 Tonnen mit einer Geschwindigkeit von 7 Meilen pro Stunde auf einer Ebene bewegte. Denken wir uns nun eine solche Fläche von Elberfeld nach Düsseldorf, so würden 1000 Zentner in 2 ½ Stunden von einem Orte zum anderen geschafft werden, mit einem Kohlenaufwande von 5 Scheffel für die Reise. …“
Mit einer gewissen Verzögerung berührte denn auch in der 2. Hälfte des Jahrhunderts der Eisenbahnbau Burgsteinfurt; die dafür notwendigen Vermessungsarbeiten wurden von Hofmanns Schwiegersohn, Ernst Gottlieb Traugott Schulz, dem sogenannten „Klabaster Schulz“, durchgeführt. Er wohnte später in dem Hause, an dem heute die Hofmann-Gedenkplakette angebracht wurde. In diesem Hause haben sich unsere Tante von Nedden-Sporleder und unser Vater, Friedrich Ernst von Renesse, noch als Kinder spielend aufgehalten, wobei der „Klabaster Schulz“ noch als über 90jähriger mit unserem Vater hin- und zurück nach Borghorst spazieren ging.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts lagen technische Erfindungen sozusagen in der Luft. Manche Entdeckungen wurden in den entstehenden Firmen und Compagnien gemacht. Hofmann hatte nicht die Anregungen aus Arbeiten und Gesprächen von Kollegen oder Mitarbeitern; er hatte in der damaligen Kleinstadt Burgsteinfurt keine technische oder kollegiale Hilfe zu erwarten, sondern war ganz auf sich allein angewiesen. Das verleiht seiner Erfindung einen besonderen Rang.
Für Hofmann mag vielleicht die 1834 erfolgte Erfindung des Elektromotors wichtig geworden sein, weil man später auch das Kunstlicht in den Dienst der Diagnose stellen konnte, wie es die Inschrift auf dem Grabstein Hofmanns nahelegt. In dieser Zeit wurden die Fotografie 1837, der Kunstdünger von Hofmanns Lehrer Justus von Liebig 1841 zeitgleich mit dem Ohrenspiegel erfunden, Bunsen entwickelte im Jahre 1855 den Gasbrenner, die „Fernverständigung“ wurde von Morse mit seinen Morsezeichen begonnen und der Magnetismus für die Kommunikation von Gaus in den Dienst genommen.
Auch die Chemie entwickelte sich stürmisch: Auf dem Gebiet der Synthetisierung der Farbstoffe, die wir heute gerne Anilinfarben nennen, war Hofmanns Bruder, August-Wilhelm – worüber der Roman „Anilin“ von Schenzinger seit 1937 Auskunft gibt – zusammen mit großen Namen wie Schering, Kekulé, Duisberg und Bayer maßgeblich beteiligt, ebenso wie in der Verwendung von Steinkohleteer als Grundstoff der Chemie. Damals hatten die Badischen Anilin- und Sodafabriken, bei denen A. W. Hofmann arbeitete, eine Belegschaft von 30 Mitarbeitern. A. W. Hofmann war später einer der großen Männer, die die „Deutsche Chemische Gesellschaft“ im Jahre 1867 gründeten. Er war in dieser Zeit gleichzeitig Professor der Chemie in London und Berlin. Wegen seiner Verdienste um die Steinkohlenchemie wurde er später geadelt. Sein Bronzestandbild wurde neben dem der Brüder von Humboldt vor der Universität in Berlin aufgestellt.
Zwischen den Brüdern Friedrich und August-Wilhelm bestand lebenslang ein lebendiger Verkehr: Man besuchte sich wechselseitig in Berlin und Burgsteinfurt, insbesondere in den Jahren der Reichsgründung 1870/1871.
Die sich anbahnende Gründerzeit, die Nähe Burgsteinfurts zum Ruhrgebiet mit immer neu abgeteuften Bergwerken, die Beziehung Friedrich Hofmanns zur Kohle über seinen Bruder August-Wilhelm von Hofmann hatten auch zu unternehmerischen Betätigungen Friedrich Hofmanns geführt. Dabei verspekulierte er allerdings mit 60.000 Thalern beträchtliche Teile seines Vermögens, in Bergwerkaktien.
Durch bescheidene Lebensführung hat sich Dr. Freidrich Hofmann allerdings von diesem schweren Schlag im Laufe der Zeit erholt.
Einen besonderen Höhepunkt im Leben Hofmanns bildete sein 50jähriges Doktorjubiläum am 29. September 1880, an dem – wie an der heutigen Feierstunde – Vertreter des öffentlichen Lebens der Stadt und des Arnoldinums mitwirkten. An Politik und Öffentlichkeit fehlte es wie heute - nicht. In der Königl. Preuß. Westfälischen Provinzialzeitung vom 29.09.1988 lesen wir:
„Dem durch den Herrn Landrath von Horn ausgebrachten Hoch auf den Kaiser folgte eine Reihe von Toasten seiner Angehörigen, Freunde und Kollegen, deren Glanzpunkt die innige Ansprache bildete, welche der Herr Professor Hofmann an seinen Bruder richtete. Man sah so recht, wie der werte Mann das allgemein verehrte und anerkannte Haupt seiner Familie gewesen ist, wie jeder in ihm seinen besten Freund in Rat und Tat sieht.“
Die Stadt Burgsteinfurt hat Hofmann damals und seine Nachkommen seither (mich beispielsweise als Referendar in der Referendarausbildung hier im Amtsgericht) in Bann gezogen. Dafür mag auch das ungewöhnliche Fluidum als ehemaliges Residenzstädtchen maßgeblich sein. Damals wie heute gilt, was Domke in seinem Band „Westfalen“ über Burgsteinfurt schreibt:
Man mag ihn so zusammenfassen: „Wer heute Burgsteinfurt betrachtet, kann sich seinem Zauber nicht entziehen, sei es dem der Stadt, sei es dem des Landschaftsparks (in dem gewiss Hofmann auch viel gewandelt sein wird) mit seinen hohen Bäumen und seinem kühl leuchtenden Zauber mit stillen Wasserflächen, die verträumt zwischen Wäldern liegen.“
In Übereinstimmung mit den Heimatvereinen von Burgsteinfurt und Borghorst und Repräsentanten insbesondere von Rat und Verwaltung der Stadt Steinfurt freut es uns als Nachkommen Dr. Friedrich Hofmanns zutiefst, dass wir hier die Erinnerung an einen verdienten Bürger der Stadt wachhalten und einen anderen verdienten Praktiker, den niedergelassenen Hals-Nasen-Ohren-Arzt, Dr. Peter Tolsdorff, in Erinnerung an Dr. Friedrich Hofmann und in seiner Tradition ehren dürfen. Deswegen überreichen wir gemeinsam mit dem Bürgermeister der Stadt Steinfurt, Herrn Brinkhaus, die von uns gestiftete Friedrich-Hofmann-Medaille an ihren 1. Träger, Dr. Peter Tolsdorff, und hoffen, dass die so gemeinsam gestiftete Tradition fortleben möge.
Ilse Nedden-Sporleder:
Zur Stiftung einer Friedrich-Hofmann-Medaille
Heidelberg, Januar 1987
Als nächste Nachfahrin von Dr. Friedrich Hofmann, nämlich als Urenkelin, ist es mir eine besondere Freude, dass die Stadt Steinfurt seit Jahren das Gedenken an Dr. Friedrich Hofmann, meinen Urgroßvater, in Ehren hält.
Die damalige Stadt Burgsteinfurt und heutige Stadt Steinfurt hat insbesondere mit den Planungen des Heimatmuseums zunehmendes Interesse an ihrem früheren Bürger Dr. Friedrich Hofmann genommen. Deswegen habe ich das von mir betreute und verwaltete Familienarchiv mit ca. 50 Originalurkunden in Abstimmung mit meiner Familie gern in die Obhut der Stadt Steinfurt gegeben. Der Umfang der Dokumente geht aus der beigefügten Liste hervor.
Als Familie haben wir damit die Hoffnung verbunden, dass das lang geplante Heimatmuseum tatsächlich errichtet würde und eine Hofmann-Vitrine darin einen würdigen Platz finden wird. Zu unserer Freude ist dieses Vorhaben in einer sehr gelungenen Weise realisiert worden. Wir haben uns zwar nicht ganz leicht von den Originaldokumenten bezüglich Dr. Hofmanns getrennt, da es sich auch um Autographen des berühmten Philosophen Hegel, 1830 Rektor in Berlin, wo Hofmann 1830 promovierte, und von einem der großen Väter der Chemie, Professor Liebig in Gießen, handelt, dessen Schüler er war.
Besonders freut es uns als Familie, dass an dem Hause meines Großvaters, in dem Dr. Friedrich Hofmann oft ein- und ausging, eine Gedenktafel angebracht wurde, die ich enthüllen durfte. Mit diesem Haus verbinden sich bei mir und bei meinem verstorbenen Vetter, Friedrich-Ernst von Renesse, noch Kindheitserinnerungen an Familienfeste. Bei allen Besuchen in der Stadt machen wir Nachkommen einen Erinnerungsspaziergang zu diesem Hause, das an Dr. Friedrich Hofmann erinnert. Wir sind sehr glücklich, dass die evangelische Kirchengemeinde dieses Gebäude so stilvoll saniert hat.
Nachdem lange Zeit die Ärzteschaft das Grab von Dr. Friedrich Hofmann gepflegt hat, haben wir als Familie das Grab nun wieder in unsere Obhut genommen und es würdig herrichten lassen.
In Anerkennung der Bemühungen der Stadt Steinfurt um das Gedenken an Dr. Friedrich Hofmann haben wir uns als Familie in Abstimmung mit der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie und der Stadt Steinfurt zur Stiftung einer Friedrich-Hofmann-Medaille entschieden, die jeweils an verdienstvolle praktische Mediziner aus dem Bereich der Hals-Nasen und Ohren-Heilkunde verliehen wird. Gerade ich selber bin über diese Stiftung sehr beglückt, da ich die Tochter des praktizierenden Ohrnarztes Dr. Sporleder bin, der auf diese Weise in diese Traditionskette miteinbezogen wird.
Nachlass Dr. Friedrich Hofmann
- Stammbaum der Familie Hofmann
- Auszug aus dem Geburtsregister Friedberg: Geburt von Friedrich Christian Theodor Hofmann am 19.07.1806
- Heiratsanzeige, 17.05.1832
- Die letzten Notizen Dr. Hofmanns vom 13. – 15. Und 18.01.1886
- Todesanzeige, 25.01.1886
- Verkauf des Hofmann’schen Besitzes an den Kaufmann Fritz Rolinck vom 09.11.1886 (Fotokopie)
- Testamentarische Verfügung von Schulz, Ernst, 24.01.1929
- Dispens von der zum Gymnasial-Studium noch ermangelnden Zeit infolge der bestandenen Maturitäts-Prüfung, Darmstadt, 03.05.1825
- Immatrikulierung des medicinae studiosus Friedrich Hofmann Giessensis am 11.05.1825 nach Ablage des akademischen Eides, Erneuerung am 04.11.1828
- Bescheinigung über die Teilnahme der Vorlesung über Experimentalchemie im Sommersemester 1826 von Dr. Justus Liebig
- Bescheinigung eines Dr. Wernekinck, dass Dr. Hofmann aus Gießen seine Vorlesungen regelmäßig besuchte und lobenswert fleißig war, 22.04.1827
- Bestätigung der Teilnahme an Vorlesungen über Geburtshilfe 1826 – Gießen, 29.03.1830
- Bescheinigung des Dr. Balser, Professor der Heilkunde, über die Teilnahme 1826 – 1830 an Vorlesungen über allgemeine Pathologie etc., Gießen, 08.04.1830
- Bescheinigung über die Teilnahme an Vorlesungen über Geisteskrankheiten im Wintersemester 1829/1830 von Dr. W. Rau, Gießen, 17.04.1830
- Sittenzeugnis des Rektors Hegel der Universität Berlin für den studiosus midicinae Hofmann, 02.09.1830
- Bescheinigung über die Teilnahme an verschiedenen Lesungen vom Rektor Dr. Adrian, 12.10.1830
- Brief Hofmanns an seinen Vater, 10.03.1831
- Verleihung des Doktorgrades von der Universität Berlin, 27.09.1830
- Begleitschreiben zur ausgefertigten Approbation als praktischer Arzt und Operateur vom 14.05.1831
- Eid des Dr. F. Hofmann, eines praktischen Arztes und Operateurs, Berlin, 07.06.1831
- Schreiben über die Übersendung der Approbation als ausübender Geburtshelfer vom 02.07.1831
- Ausfertigung eines Protokolls über die Vereidigung als Geburtshelfer vom Bürgermeister Terberger, 26.09.1831
- Mappe mit Zeugnissen und Bestallungen:
Maturitätszeugnis vom 24.08.1830
Zeugnis als Impfarzt vom 10.05.1831
Approbation als praktischer Arzt und Operateur vom 14.05.1831
Approbation als Geburtshelfer vom 02.07.1831
Fähigkeitszeugnis zum Physikus vom 31.05.1833
Bestallung als Kreiswundarzt vom 14.08.1854
Bestallung als Kreisphysikus vom 03.07.1858 - Auftrag zur Physikatsprüfung von der königlichen regierung, Münster, 05.12.1832
- Fähigkeitszeugnis zur Verwaltung einer Physikats-Stelle, Münster, 22.06.1833
- Bewerbung um die vakante Stelle des Kreis-Physikus in Coesfeld, Oktober 1839
- Antwortschreiben auf Dr. Hofmanns Gesuch um Anstellung als Kreis-Chirurgus im Kreis Steinfurt, Münster, 04.09.1854
- Glückwunschschreiben zur Ernennung zum Kreisphysikus, Münster, 12.07.1858
- Urkunde der Königlichen Regierung Münster, Übertragung der Physikatstelle des Kreises, Münster, 16.07.1858
- Glückwunschschreiben eines Kollegen zur Ernennung zum Kreisphysikus, 18.07.1858
- Mitteilung von Landrat von Basse an Dr. Hofmann: Das Kreischirurgat wird ihm ohne Gehalt übertragen, jedoch gegen Genuss „der evtl. Emolumente“, Steinfurt, 28.05.1854
- Urkunde über die Verleihung des Charakters eines Sanitätsrates, Berlin, 23.12.1868
- Mitteilung der Königlichen Regierung – Dr. Hofmann bekommt das Patent als Geheimer Sanitätsrat, 13.01.1869
- Urkunde über das Patent des Geheimen Sanitätsrates, Berlin, 29.01.1872
- Mitteilung der Königlichen Regierung über das Patent als Geheimer Sanitätsrat, 16.02.1872
- Bestallung durch Alexis Fürst zu Bentheim, 26.11.1850
- Ernennung durch Alexis Fürst zu Bentheim zum Hofrat, Burgsteinfurt, 20.01.1855
- Verleihung des roten Adler-Ordens vierter Klasse, Berlin, 02.09.1854
- Besitzzeugnis über den an Dr. Hofmann verliehenen roten Adler-Orden vierter Klasse, Berlin, 25.11.1854
- Verleihungsurkunde der Kriegsgedenkmünze von Stahl an Nicht-Combattanten-Bande für freiwillige Leistungen bei der Pflege Verwundeter und Kranker von der Königlichen General-Ordens-Kommission, Berlin, 18.10.1872
- Verleihung des roten Adler-Ordens dritter Klasse mit der Schleife vom 07.09.1880
- Gratulationsschreiben der Königlichen Regierung zu Münster zum 50jährigen Doktor-Jubiläum und zur Verleihung des roten Adler-Ordens dritter Klasse, Münster, 21.09.1880
- Erneuertes Diplom zum 50jährigen Doktor-Jubiläum von der medizinischen Fakultät, 27.09.1880
- Glückwunschschreiben des Kreises Steinfurt zum 50jährigen Doktor-Jubiläum am 27.09.1880
- Gratulationsgedicht der Familie zum 50jährigen Doktor-Jubiläum, 27.09.1880
- Gratulationsschreiben der Familie Küppers aus Coesfeld zum 50jährigen Doktor-Jubiläum, 27.09.1880
- Gratulationsschreiben der Stadt Burgsteinfurt zum 50jährigen Doktor-Jubiläum, 27.09.1880
- Gratulationsschreiben des Fürsten Ludwig zu Bentheim zum 50jährigen Doktor-Jubiläum, 27.09.1880
- Abschrift und Original aus der Westf. Provinzialzeitung: Das 50jährige Doktor-Jubiläum des Geheimen Sanitätsrates Dr. Hofmann, 29.09.1880
- Auszug aus „350 Jahre Gymnasium Arnoldinum“, Eine Festgabe zum Arnoldifest 1938
- Ausschnitt aus dem Steinfurter Kreisblatt vom 20.07.1977
- Bildnis des Vaters von Dr. Hofmann
- Bildnis Dr. Friedrich Hofmann
- Bild: Die Familie Hofmann
- Bild: Der erfundene Ohrenspiegel
- Bild: Ernst Schulz, „Klabasterschulz“, und Frau Emilie, geb. Hofmann
- Bild: Helene Hofmann
- Bild: Dr. Friedrich Hofmanns Grabstein auf dem evgl. Friedhof Burgsteinfurt
Laudatio für Dr. Peter Tolsdorff
Dr. K.-H. Caspari, Remscheid
Gehalten am 24.01.1987
Sehr geehrter Preisträger, lieber Herr Tolsdorff, sehr geehrte Familie Hofmann, Nedden, von Renesse, sehr geehrter Herr Bürgermeister Brinkhaus, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Der derzeitige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie, Herr Professor Dr. Terra, hat mich gebeten, anlässlich der heutigen erstmaligen Verleihung der Friedrich-Hofmann-Medaille eine Laudatio auf den Preisträger zu halten. Ich komme dieser Aufgabe gerne nach.
Bekanntlich jährt sich heute der 101. Todestag Dr. Friedrich Hofmanns, des Erfinders des Ohrenspiegels. Seiner wurde in besonderer Weise auf einer Feierstunde am gleichen Ort zum 100. Todestag zur gleichen Zeit gedacht. Heute soll bekanntlich die Medaillenverleihung an den ersten Träger des Hofmann-Preises durch den Vertreter der Familie, Frau Ilse Nedden, stattfinden. Die Deutsche Gesellschaft für HNO-Heilkunde hat den Entschluss der Familie, zusätzlich eine Medaille prägen zu lassen, sehr begrüßt. Es bedeutet eine weitere Anerkennung für den Preisträger, der schon in der Mitgliederversammlung der Gesellschaft im Mai 1986 in Würzburg für seine wissenschaftlichen Leistungen geehrt wurde.
Lassen Sie mich einige Sätze über den von der Deutschen Gesellschaft für HNO-heilkunde gestifteten Friedrich-Hofmann-Preis sagen.
Ich freue mich zunächst, hier auch Herrn Professor Dr. Heermann, Essen, begrüßen zu können. Er ist der Schöpfer dieses Preises.
Vor Jahren hat er schon auf das damalige besondere Ereignis der Erfindung des Ohrenspiegels, jenes Instruments, das unser Fachgebiet besonders auszeichnet, aufmerksam gemacht und angeregt, einen „Hofmann-Preis“ entstehen zu lassen. Er verband damit die Vorstellung, dass ähnlich dem Status des Erfinders, nur ein in freier Praxis tätiger HNO-Arzt als Preisträger in Frage kommen sollte, der sich durch besondere wissenschaftliche Leistungen, Entdeckungen und praktische Errungenschaften hervorhebt. Die mit der Auszeichnung verbundene Geldsumme sollte durch Spenden der Mitglieder der Gesellschaft aufgebracht werden. Dieser Vorschlag fand allseits Zustimmung und wurde 1985 zum Beschluss erhoben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Zahl derer, die für eine solche Auszeichnung in Frage kommen, ist nicht groß. Die tägliche Belastung des frei praktizierenden Arztes, besonders dann, wenn er gleichzeitig Belegarzt ist, lässt wenig Zeit für wissenschaftliche Arbeit zu. Sie ist manchmal auch mit Geldaufwand verbunden, Investitionen, die bekanntlich sich „nicht lohnen“. Schon die Satzung weist auf die Schwierigkeit, Preisträger zu finden, hin: „Der Preis sollte jedoch wenigstens einmal innerhalb von 5 Jahren verliehen werden“. Dem Preisrichterkollegium, dem ich die Ehre hatte, anzugehören, wurde es bei der ersten Entscheidung allerdings leicht gemacht. Ohne Kontroverse entschied man sich für Herrn Dr. Peter Tolsdorff. Der Beschluss wurde seinerzeit mit großem Beifall von der Mitgliederversammlung aufgenommen. Der kurze Abriss seines Lebenslaufs, seiner wissenschaftlichen Ausbildung und Leistung mag auch Ihnen die Richtigkeit der Wahl verdeutlichen:
Dr. Peter Tolsdorff wurde am 10. Juli 1941 in Wuppertal geboren. Dort bestand er am mathematisch-naturwissenschaftlichen Karl-Duisberg-Gymnasium die Reifeprüfung und begann im gleichen Jahr das Studium der Medizin an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg, um nach Ablegung des Physikums 1964 die Semester zunächst an der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität in Bonn und später an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg fortzusetzen. Hier legte er seine ärztliche Reifeprüfung ab und promovierte gleichzeitig. Seine 2jährige Medizinalassistentenzeit absolvierte er auf einer Gynäkologischen, chirurgischen und einer Inneren Abteilung. Eine dreimonatige Vertreterpraxis schloss sich an. So konnte ihm am 28.01.2970 die Approbation als Arzt durch den Innenminister des Landes Baden-Württemberg zugestellt werden. Die weitere Ausbildung war durch seinen Entschluss gekennzeichnet, das Fachgebiet Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde zu erwählen. Er begann als wissenschaftlicher Assistent an der HNO-Klinik Bonn, deren Direktor seinerzeit Professor Dr. Becker, jetzt emeritiert, war.
1973 wurde ihm die Anerkennung als Facharzt für HNO-heilkunde durch die Ärztekammer Nordrhein in Düsseldorf erteilt. Die folgenden Jahre war er an gleicher Stelle tätig, nunmehr seit Februar 1974 als Oberarzt. Die Benennung zum stellvertretenden Prüfer für das Fach HNO-Heilkunde für die ärztliche Prüfung muss als besondere Wertung seiner fachmedizinischen Kenntnisse gewertet werden, die sich u. a. auch durch seine Vorträge auf Kongressen und durch seine 7 wissenschaftlichen Publikationen dokumentierten.
Nach 5jähriger Kliniktätigkeit fasste er den Entschluss, sich als HNO-Arzt in Bad Honnef niederzulassen. Den Ausschlag dafür gab sicher die Möglichkeit, als Belegarzt am dortigen St. Johannes-Krankenhaus wirken zu können. Durch Weiterbildung erreichte er, dass die Ärztekammer Nordrhein ihm 1980 die Anerkennung zum Führen der Zusatzbezeichnung „Plastische Operationen“ aussprach.
Der Drang, auch in eigener Praxis Wissenschaftliches zu leisten, war ungebrochen. Herr Dr. Tolsdorff veröffentlichte weitere 9 wissenschaftliche Publikationen und auf Fachveranstaltungen war er mit 12 Vorträgen beteiligt. Seine mittlerweile erreichte Anerkennung drückt sich darin aus, dass er auf Aufforderung bei Fortbildungsveranstaltungen unseres Fachgebietes dozierte.
Sein besonderes wissenschaftliches Interesse fanden die Erkrankungen der Nase und in den letzten Jahren vorwiegend die des Ohres. Die Lösung technischer Probleme war ihm ein besonderes Anliegen. Ähnlich unserem großen Vorbild, dem Erfinder des Ohrenspiegels, entwarf auch er Instrumente, die Diagnostik und Behandlung von Krankheiten erleichtern, etwa eine Troikar-Hülse zur gefahrlosen Kieferhöhlenendoskopie oder einen besonderen Meißel, dessen Führung in der Nase bei plastischen Operationen durch einen auf ihn fixierten äußerlich sichtbaren Stab erleichtert wird. Auch Verfahren zur Blutstillung in der Nase wurden verfeinert in der Anwendung von Saug- und Koagulationssonden unter mikroskopischer oder endoskopischer Kontrolle. Die eigenhändige Anfertigung eindrucksvoller fotografischer Bilder und Schemaskizzen zur Abrundung des Verständnisses müssen besonders hervorgehoben werden. Seine letzten Publikationen, die letzte erschien 1985, befassen sich u. a. mit plastischen Eingriffen am Trommelfell und im Mittelohr, insbesondere dann, wenn es galt, ein defektes Trommelfell zu schließen und die verminderte Schallleitung durch Rekonstruktion der Schallleitungskette im Innenohr zu verbessern. Seine Veröffentlichung „Tympanoplastik mit Tragus-Knorpeltransplantat“: „die Knorpelplastik“ von 1983 ist ein weiterer neuer Weg. Die hohe Zahl von 87 der von ihm innerhalb von 4 Jahren nach dieser Methode erfolgreich behandelten Patienten spricht für sein großes operatives Engagement, das nur jener zu schätzen weiß, der erfahren hat, dass diese Eingriffe mit hohem zeitlichen Aufwand verbunden sind, die neben der sicherlich umfangreichen Tätigkeit in der Sprechstunde erbracht werden müssen. Es gibt nur wenige Kollegen, die gleichartige Eingriffe unter gleichen Bedingungen durchführen, und selbst wenn sie es zeitlich könnten, meist doch davon Abstand nehmen, einmal wegen des schon erwähnten großen zeitlichen Aufwandes, zum anderen auch deshalb, da die Honorierung dieser Eingriffe an Kassenpatienten derzeitig beispiellos gering ist und in keinem Verhältnis zu Verantwortung, Mühe und instrumentalem Aufwand stehen.
Wissenschaftliche Publikationen zu veröffentlichen, bedeutet Freizeit zu opfern. Die jeder Arbeit zugefügten zahlreichen Hinweise auf die Literatur belegen die Aufwände in der Erstellung seiner Exposes. Dr. Tolsdorff ist – wenn Sie mir diesen Vergleich erlauben – Einzelkämpfer mit Buch und Skalpell. Er selbst hat sich Aufgaben zu stellen, er allein macht sich Gedanken um die zweckmäßige Gestaltung eines Instrumentes, nur er wägt den Erfolg und Nichterfolg eines neuen chirurgischen Vorgehens ab. Die Diskussion im Team bleibt ihm verschlossen und wenn er nach Vortrag Rede und Antwort stehen muss, ist er auf eigenes Wissen und eigene Erfahrungen angewiesen und muss oft allein den Nutzen seiner Methode mit Selbstbewusstsein verteidigen.
In allem zeigt sich der große Idealist Tolsdorff, der wahre Arzt. Insofern muss auch Ihrer, verehrte Frau Tolsdorff, gedacht werden, dass Sie das nötige Verständnis für die wissenschaftliche „Besessenheit“ Ihres Mannes aufgebracht haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese nur bruchstückhaften Schilderungen des wissenschaftlichen Oeuvres unseres Preisträgers mögen auch Ihnen bewiesen haben, dass die Wahl auf den Richtigen gefallen ist und Sie werden verstehen, dass unsere Mitglieder einen gewissen Stolz für ihn empfinden und er als Vorbild herausgestellt werden kann. Es bleibt zu hoffen, dass die Verleihung auch ein Ansporn für unsere Kollegen in gleicher Position sein möge und dass die „Deutsche Gesellschaft“ in Kürze wieder die Freude haben wird, Urkunde und Geldpreis vergeben zu können, den Geldpreis als Basis für die weitere wissenschaftliche Arbeit. Dem heutigen Preisträger wünscht die Deutsche Gesellschaft für HNO-Heilkunde weitere Erfolge zum Nutzen der Wissenschaft und unserer Patienten. Noch einmal im Namen aller Kollegen die herzlichsten Glückwünsche.
Die Laudatio wäre unvollständig, würde man nicht Familie Hofmann im weiten Sinn mit erwähnen. Wir respektieren ihre aus Tradition abgeleitete Verpflichtung gegenüber ihrem Urahn, einen ideell-finanziellen Beitrag zu leisten, eben diese eindrucksvoll gestaltete Silbermedaille. Auch ihre Bemühungen – und da ist ihre Heimatstadt miteinzuschließen – der Überreichung den heutigen feierlichen Rahmen zu geben, muss man hervorheben. Unser aller Hochachtung können Sie gewiss sein.
Überreichung der Friedrich Hofmann Medaille an Dr. Peter Tolsdorff
Ansprache von Dr. Peter Tolsdorff
Sehr geehrte Frau Nedden, liebe Familie von Renesse, sehr geehrte Damen und Herren!
Als ich das erste Mal von der Verleihung des Friedrich-Hofmann-Preises durch die Deutsche HNO-Gesellschaft sowie später der Verleihung der Friedrich-Hofmann-Medaille an mich erfuhr, stellte sich mir die Frage: Was ist eigentlich so ingeniös an der Erfindung des Ohrenspiegels, dass man seinen Erfinder, praktizierender Arzt wie ich, posthum noch durch die Benennung eines Preises nach so langer Zeit ehrt?
Die Frage liegt nahe, ist doch der Ohrenspiegel inzwischen praktisch zum Symbol aller Ärzte geworden. Soll eine Person in einer Publikation als Arzt gekennzeichnet werden, stellt man sie mit einem Ohrenspiegelreif am Kopf dar. Tatsächlich zählt die Erfindung des Ohrenspiegels, wie eine nähere Betrachtung der Funktion dieses Instrumentes ergibt, zu den genialen Erfindungen der Medizingeschichte. Geniales zeichnet sich stets durch Einfachheit und Transparenz aus. Diese Kriterien kennzeichnen auch den Ohrenspiegel, der als Instrument heute noch gebraucht wird, auch wenn er inzwischen bei jüngeren Kollegen durch die elektrische Kopfspiegelleuchte größtenteils abgelöst wurde. Für den Notfall, d. h. bei Fehlen jeglichen Stroms, wird er jedoch stets seine Funktion noch versehen, ist er doch in der Lage, mit dem Licht einer einfachen Kerze oder gar dem Sonnenlicht auszukommen.
Hierin liegt das Geniale der Erfindung: Licht einzuspiegeln in eine sonst dem menschlichen Auge verborgene Höhle, wobei das Auge durch ein zentrales Loch im spiegelnden Glas dem Zentralstrahl des Lichtes folgen kann. So zwingend logisch und genial einfach, so absolut selbstverständlich die Konzeption dieses Instrumentes uns heute anmutet, so lang war der Weg bis zu seiner Erfindung. Dem zahnärztlichen Kollegen Robert Wahler gebührt die Ehre, in seiner Doktorarbeit „Wirkungsgeschichtliche Aspekte bei der Erfindung des Prinzips des perforierten Hohlspiegels als diagnostischem Hilfsmittel bei der Untersuchung von Auge und Ohr“ die historische Entwicklung bis zur Erfindung des Ohrenspiegels sowie den großen Verdienst Dr. Friedrich Hofmanns herausgearbeitet und für die Nachwelt schriftlich fixiert zu haben. Welch langer Weg des Suchens, angefangen im Mittelalter mit Fabricius ab Aquapendente, der als Erster Sonnenlicht gezielt durch eine linsenförmige Öffnung im Fensterladen in den Gehörgang lenkte, über Archibal Cleland, Philipp Bozzoni, Nicolas Deleau, Thomas Buchanan und Wilhelm Cramer, die im Prinzip verschieden geformte Linsen bauten, um mit ihrer Hilfe Licht in den Gehörgang einzuspiegeln. Der Nachteil ihrer Erfindung war jedoch, dass das Auge des Untersuchers am spiegelnden Medium vorbei, sozusagen parallel dem Lichtstrahl zum Ohr neben dem relativ großen Instrument folgen musste.
Hofmann formulierte dann seinen genialen Einfall, einen Spiegel mittig zu perforieren mit folgenden Worten: „Man werfe nur mittels eines in der Mitte perforierten Hohlspiegels einen Sonnenstrahl in den Gehörgang und blicke durch die Öffnung in den hell erleuchteten Gang. Es ist durch dieses einfache Verfahren dem Untersucher möglich gemacht, sich bis auf einige Zoll dem Ohr zu nähern und es kann dem forschenden Auge nicht das Geringste entgehen.“
Einerseits haben die Zeitgenossen nicht recht glauben können, dass ein einfacher, für alltägliche Dienste verwendeter Toilettenspiegel bessere Untersuchungsergebnisse als die allseits bekannten, sehr teuren und von berühmten Namen bis dahin erfundenen Geräte liefern könnte. Andererseits hat Hofmann selbst wohl angesichts dieser Tatsache Hemmungen gehabt, die von ihm erfundene einfache Möglichkeit der Untersuchung besser bekannt zu machen. Erst 1845 finden sich durch den Würzburger Arzt Marcel Frank sowie 1856 durch den Berner Professor für Augenheilkunde Wilhelm Rau erneute Erwähnungen des Hofmann’schen Spiegels. 1852 publiziert der Göttinger Augenprofessor Ruete ein angeblich vollkommen neues Instrument, das in Wirklichkeit exakt auf den Vorschlägen Hofmanns, nämlich einem perforierten Hohlspiegel, basiert. 1855 wird das Prinzip des perforierten Hohlspiegels von dem bekannten Würzburger Professor der Ohrheilkunde Anton von Tröltsch publiziert. Gegenüber der Hofmann’schen Erfindung wurde von ihm das Instrument letztlich jedoch nur durch Verkleinerung der zu großen Brennweite verbessert. Es erfolgte eine Publikation vor der Medizinischen Gesellschaft in Würzburg 1858. Von Tröltsch anerkannte die Priorität Hofmanns bei der Erfindung, nahm jedoch für sich in Anspruch, mit dem Verkürzen der Brennweite eine entscheidende Verbesserung gebracht zu haben.
Erst der Hofmann’sche Spiegel erlaubte die Entwicklung und Anwendung des Kehlkopfspiegels 1858 durch Czermak. Die Entwicklung starrer Endoskope, d. h. von Instrumenten, bei denen über eine Linsenoptik geradlinig Licht und Sehgang eingespiegelt werden, begann erst 1881, die Entwicklung flexibler Glasfiberendoskope sogar erst 1970.
Vor diesem Hintergrund erst lässt sich die Bedeutung der Erfindung des Ohrenspiegels gänzlich erkennen. Er war jenes Instrument, das als erstes die Ausspiegelung aller zugänglichen Körperöffnungen- und -höhlen ermöglichte.
Das die Verbreitung dieser genialen Idee letztlich durch Professor von Tröltsch erfolgte, gehört sicherlich, wie schon gesagt, zu den tragischen Seiten in Hofmanns wissenschaftlichem Leben. Umso erfreulicher ist es, dass die Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde sich bei der Benennung ihrer Preise neben dem von Tröltsch-Preis für den Namen „Friedrich-Hofmann-Preis“ entschlossen hat, wird doch so diesem verdienten Wissenschaftler, der zudem noch unter der Belastung der täglichen Praxis arbeiten musste, die ihm zustehende Ehre wenigstens posthum zuteil.
Ich persönlich freue mich sehr und darf Dank sagen für die Auszeichnung, die den Namen dieses bemerkenswerten Mannes trägt. Auch heute noch ist wissenschaftliches Arbeiten aus der täglichen Praxis heraus möglich, ich meine sogar notwendig. Einerseits wird die Kluft zwischen Universität und Praxis ständig größer, andererseits ist in einer Zeit der überfüllten Universitäten der praktizierende Arzt mehr denn je dazu berufen und in der Lage, reale Probleme in der medizinischen Versorgung seiner Patienten zu beobachten und zu erkennen. Er ist meines Erachtens daher auch aufgefordert, sich an der Lösung dieser Probleme zu beteiligen. In diesem Sinne empfinde ich die Verleihung von Hofmann-Preis und -Medaille auch als Verpflichtung.
Friedrich Hofmann selbst war über die Verständnislosigkeit seiner zünftlerischen Zeitgenossen verärgert, die ihm die verdiente Ehre bezüglich seiner Erfindung vorenthielten. Dass er sich des Wertes seiner Erfindung sehr wohl bewusst und stolz auf sie war, geht aus seinem selbstgewählten Grabinspruch hervor: „Er war ein Freund des Lichts und der Erste, der dasselbe der Diagnostik dienstbar machte“.