Stadtgeschichte
Die Kreisstadt Steinfurt ist in ihrer heutigen Gestalt ein Kind der kommunalen Neugliederung. Sie wurde 1975 aus den beiden bis dahin eigenständigen Städten Borghorst und Burgsteinfurt zusammengefügt. Das Zusammenwachsen der beiden in ihren konfessionellen, sozialen und wirtschaftlichen Strukturen unterschiedlich geprägten Ortsteile in den vergangenen 40 Jahren war nicht immer einfach. Borghorst und Burgsteinfurt sind zudem räumlich durch das Bagno – ein im 18. Jahrhundert im Auftrag des damaligen Burgsteinfurter Grafen Karl Paul Ernst angelegter Landschaftspark – getrennt. Die Bebauung der beiden Ortsteile berührt sich bis heute nicht.
Das frühere Steinfurt (das heutige Steinfurt-Burgsteinfurt) tritt mit der ersten Erwähnung des Haupthofes der Bauerschaft Sellen als Besitz der Abtei Werden an der Ruhr im Jahre 890 in die Geschichte ein.
Wenig später, im Jahre 968, erfolgte die Gründung des Damenstifts Borghorst auf der Burg des gleichnamigen Grafengeschlechtes, die im Bereich der heutigen Nikomedes-Kirche inmitten der drei Bauerschaften Dumte, Ostendorf und Wilmsberg lag. Die ersten Mitglieder dieses Stifts kamen aus dem Kloster Essen; zwischen der Gründerfamilie von Essen und derjenigen von Borghorst bestanden enge Verbindungen, die sich noch lange nach der Gründung dieses Stifts nachweisen lassen. Wenn man auch vielleicht nicht sagen kann, dass im Gebiet der heutigen Stadt Essen die Wiege der Ureinwohner Steinfurts gestanden hat, eine gemeinsame Wurzel beider Stadtteile ist dort sicherlich zu finden.
War in Borghorst eine kirchliche Einrichtung Kern der Siedlung, so richtete sich in Burgsteinfurt ein weltliches Geschlecht von Adelsherren ein. Diese, die späteren Grafen von Steinfurt, erbauten vermutlich an der Stelle des Haupthofes von Sellen eine Wasserburg, die zur Sicherung der Furt in der Steinfurter Aa diente, nach der sie auch ihren Namen erhielt. Das imposante Bauwerk wurde in seiner gegenwärtigen Anlage nach der 1164 erfolgten Zerstörung neu errichtet. Einst gehörte noch ein großer Burgfried, der Buddenturm, zur Burg, der jedoch Ende des 18. Jahrhunderts allmählich abgetragen wurde. Von den ältesten Teilen der Burg sind noch die Schlosskapelle, eine Doppelkapelle und der Rittersaal erhalten. Das Schloss wird von den Nachfahren der Steinfurter Grafen, den Fürsten zu Bentheim und Steinfurt, bewohnt. Edelherr Rudolf II. von Steinfurt brachte wohl bei der Heimkehr vom Kreuzzug Kaiser Friedrich Barbarossas, an dem er teilgenommen hatte, einige Johanniter mit und siedelte sie in Steinfurt an. Nach 1244 errichtete der Orden neben der Großen Kirche eine Kommende genannte Niederlassung, die noch heute in ihrem alten Baubestand vorhanden ist.
Burgsteinfurt ist eine Gründung der Grafen, die Kaufleuten, Handwerkern und anderen Ackerbürgern Hausstätten in verkehrsgünstiger Lage an der Furt gegen ein geringes Entgelt in Hühnern, Wachs oder Geld vererblich überließen. Wohl schon im 13. Jahrhundert wurde die so entstandene Siedlung aus dem dörflichen Verband der drei Bauerschaften Hollich, Sellen und Veltrup durch Verleihung des Weichbildrechts, einer Organisationsform zwischen Dorf- und Stadtrecht, ausgegliedert. 1338 wird sie in einer Urkunde von dem Edlen Ludolf als "unse Stat to Stenvorde" bezeichnet.
In Borghorst war es das Stift als Grundherr, das den Ansiedlungswilligen Grund und Boden als vererbliche Hausplätze oder Worten gegen das sogenannte Wortgeld ausgab. Zu einer Stadtgründung kam es jedoch zu Zeiten des Stiftes nicht. Bis zum Ende des Mittelalters waren es wohl nur wenige Bauern und Handwerker, die Wortstätten erhielten. Dies änderte sich erst, als nach dem 30jährigen Krieg die Leinenweberei in Borghorst, deren Beginn um 1500 anzusiedeln ist, größeren Umfang annahm. Die Gründung der Leinentuchmachergilde im Jahre 1657 ist ein bedeutsames Zeugnis dieser Entwicklung, die wir auch aus dem sprunghaften Ansteigen der Bevölkerungszahlen zwischen 1645 und 1650 ablesen können.
Die Leinenweberei war der Grundstock für die Entwicklung der Textilindustrie in Borghorst, die dem Stadtteil heute noch sein Gepräge gibt. Sie wurde bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts als Hausweberei betrieben. Die Weber lieferten die in Heimarbeit gefertigte Ware an Händler, die sogenannten Faktoren, ab, die für den Verkauf, insbesondere auch in die Niederlande, sorgten. Aus diesen Händlerfamilien gingen dann auch die Unternehmer hervor, die die ersten mechanischen Webstühle in Borghorst aufstellten. Der Impuls dazu kam jedoch von dem aus dem Oldenburgischen stammenden Heinrich Brader. Er errichtete im Jahre 1855 eine mit Dampf betriebene Stärkerei und Schlichterei an der Gantenstraße und fügte ihr im darauffolgenden Jahr eine Spinnerei hinzu. Wahrscheinlich nach seinem Beispiel wurden dann im Jahre 1861 eine mechanische Weberei, deren Nachfolgebetrieb noch heute produziert, sowie eine Spinnerei gegründet. Diese Daten setzen den Beginn zu einer stürmischen Entwicklung der Industrialisierung, in deren Verlauf sich Borghorst vom Stiftsdorf zur Industriestadt vergrößerte - eine Entwicklung, die 1950 in der Verleihung der Stadtrechte ihre Anerkennung fand.
Burgsteinfurt hatte die Stadtrechte bereits 1347 von den Edelherren bestätigt erhalten. Nach dem Aussterben der Edelherrn konnte die Stadt von deren Nachfolgern, den Grafen von Bentheim aus dem Hause Götterswick bei Dinslaken, durch Schenkung und Kauf darüber hinaus weitere Rechte wie das Weggeld und das Recht zur Erhebung der Biersteuer erwerben. Auf Grund dieser Entwicklung erreichte die Stadt 1536 die volle Selbstverwaltung durch gewählte Bürgermeister, Schöffen und Ratsherren. Das Selbstbewusstsein der Bürgerschaft fand seinen Ausdruck in dem 1561 erbauten Rathaus, das zu den bau- und kunsthistorischen Kleinoden der Kreisstadt zählt.
Dem Rathaus als Bürgerbau wurde die von Graf Arnold im Jahre 1588 in Schüttorf gegründete und 1591 nach Burgsteinfurt verlegte Hohe Schule an die Seite gestellt. Die Errichtung der Hohen Schule fiel mit der Einführung der reformierten Lehre anstelle des 1544 vom Grafenhaus zunächst angenommenen lutherischen Bekenntnisses zusammen. Diese erste Hochschule Westfalens, der am Universitätsrang nur das Promotionsrecht fehlte, wurde bald das erstrebte Ziel vieler evangelischer Studenten, insbesondere aus den Niederlanden, wie überhaupt die Grafschaft Steinfurt eine Insel dieses Bekenntnisses im katholischen Bistum Münster war. Der dadurch verschärfte lang andauernde Streit zwischen den Grafen und den Fürstbischöfen wurde erst 1716 durch einen Vertrag beendet, der die Selbständigkeit und Reichsunmittelbarkeit der Grafschaft anerkannte.
Das dadurch gestiegene Selbstbewusstsein der Grafen fand seinen Ausdruck in der Gartenanlage des Bagno (nach ital. il bagno = das Bad). Dieser Park wurde zwischen 1765 und 1775 durch den Reichsgrafen Karl Paul Ernst im französischen Stil angelegt. Graf Ludwig zu Bentheim und Steinfurt erweiterte den ursprünglich sehr kleinen See und wandelte den Garten in einen englischen Park um. Es entstand eine Fülle von Bauten - Chinesentempel, Arionsschiff, gotisches Haus, künstliche Ruine usw. -, von denen nur noch die Konzertgalerie und die Wache erhalten sind.
Durch die Öffnung des Parks für das gehobene Bürgertum entwickelte sich das Bagno zu einer Touristenattraktion und einem nicht zu unterschätzenden Wirtschaftsfaktor für die Stadt Burgsteinfurt, der nach dem Niedergang in der Franzosenzeit leider nicht wieder auflebte. Die Bemühungen um die Restaurierung der Konzertgalerie hatten auch das Ziel, das wirtschaftliche Potential dieser attraktiven Anlage zu nutzen. Dieses Objekt im Außenbereich stellt eine Ergänzung zum historischen Altstadtkern Burgsteinfurts dar, der durch gezielte Sanierungsbemühungen auch im Rahmen der Denkmalpflege mit Förderung des Landes seit einigen Jahren zu einem mindestens regionalen Anziehungspunkt geworden ist und auch nach dem Abschluss der Regionale 2004 weiter ausgebaut wird.
Die Wahl Burgsteinfurts als Kreissitz ist historisch auf den Einmarsch der Franzosen im Jahre 1806 zurückzuführen. Diese errichteten Ende 1811 das Arrondissement Steinfurt und bestimmten Burgsteinfurt als Verwaltungssitz. Die den Franzosen nachfolgenden Preußen änderten 1816 bei Gründung des Kreises Steinfurt daran nichts. Die Einrichtung von Folgeinstitutionen wie Amtsgericht und Finanzamt verstärkten den Charakter des Verwaltungsmittelpunkts noch.
Anders als in Borghorst entwickelte sich in Burgsteinfurt die Textilindustrie nicht zum Hauptwirtschaftszweig. Neben einigen Betrieben dieser Richtung war vielmehr die Genussmittelbranche mit den Schwerpunkten Tabak - bis in die 60er Jahre hinein von Bedeutung - und Bier - hier gab es großen Aufschwung nach dem 2. Weltkrieg - bestimmend.
Burgsteinfurt hat nicht zuletzt einen Schwerpunkt auf dem Bildungssektor. Im bewusster Anlehnung an die Tradition der um 1810 eingegangenen Hohen Schule wurde 1853 das Gymnasium Arnoldinum wiederbegründet, das sehr schnell weit über den Ort hinaus Schüler anzog. 1926 kam die Landwirtschaftsschule nach Burgsteinfurt, die jedoch im Zuge des Rückgangs der Bedeutung dieses Wirtschaftszweiges immer weniger Schüler ausbildet und mittlerweile nach Saerbeck verlegt wurde. Die Ansiedlung der Fachhochschule, die 1963 als Staatliche Ingenieurschule hier begann und heute Teil der Fachhochschule Münster ist, stellt sich dagegen mit ihrer technischen und naturwissenschaftlichen Ausrichtung als wesentlich zukunftsorientierter heraus.